DER SAMMLER FREDDY
FREIHERR VON
BETTENDORFF
ESCORSELL
AFRIKANISCHE KUNST
JENSEITS VON
FOLKLORE
Wer hierzulande Kunsthistoriker und
große Galeristen nach
zeitgenössischer afrikanischer Kunst
fragt, erhält in vielen Fällen ein
Schulterzucken als Antwort. Man ist
schnell mit Begriffen wie „Folklore"
und „Holzmasken" bei der Hand,
darüber hinaus kommt wenig.
Freddy Freiherr von Bettendorff
Escorsell setzt diesem Unwissen ein
konkretes Engagement entgegen.
Bei einem Besuch der EXPO 1992 in
Sevilla faszinierten ihn die dort
ausgestellten Steinskulpturen aus
Simbabwe. Die Idee, solche Arbeiten
in Gauangelloch zu präsentieren,
nahm schnell Gestalt an. Mit
Unterstützung engagierter Experten
kam es schon 1993 zur Eröffnung
der Galerie. Der Skulpturenpark mit
Shona-Plastiken gehört inzwischen
zu den weltweit größten
Sammlungen dieser Kunstform.
Ohne in der Steinbildhauerei
verwurzelt zu sein und ohne
akademisch- künstlerische
Ausbildung begannen in den 196oer-
Jahren künstlerisch veranlagte
Landarbeiter in Simbabwe mit der
Bearbeitung des im Land
vorkommenden Serpentingesteins.
Sie schlossen sich unter der Leitung
des ehemaligen Farmers Tom
Blomefield und des Direktors der
Nationalgalerie in Harare zu
Workshops zusammen. Es
entwickelte sich eine Kunstrichtung,
die heute als Shona-Plastik bekannt
ist. Sie hat inzwischen drei
Generationen hervorgebracht und
internationale Anerkennung
gefunden. Sammler bezahlen für die
Arbeiten von Künstlern wie Henry
Munyaradzi oder Bernard Matemera
bis zu 125.000 Euro.
Nur in Ausnahmen ist es möglich,
den
Arbeiten eine bestimmte Botschaft
zuzuschreiben. Sie stellen oft
mütterliche
„
Antlitze dar. Tierkörper wie Raubkatzen
oder Paviane beziehen sich auf die
Mythologie der Shona und symbolisieren
Buschgeister oder herbeigesehnte
Attribute wie Macht oder Güte.„Wir arbeiten
ohne Plan. Die Form ist vom
Stein vorherbestimmt, sie kommt aus ihm
heraus." So zitierte die Zeitschrift art einen
Shona-Künstler der ersten Generation. Nur
selten werden konkrete gesellschaftliche
oder politische Erfahrungen verarbeitet. Zu
diesen Ausnahmen zählt die auf der
Terrasse des Wasserschlösschens in
Gauangelloch stehende Skulptur „Living
with the virus" von Joseph Muzondo, die
die Aids- Epidemie in Afrika thematisiert.
Natürlich verfolgen Freddy von Bettendorff
und sein Galerieteam über das reine
Sammeln hinaus noch ein spezielles Ziel:
„Wir wollen Hilfestellung leisten, wo es
darum geht, afrikanische Kunst aus den
Völkerkundemuseen zu befreien und
einem interessierten Publikum zu zeigen."
Es gibt in Afrika erst wenige bildende
Einzelkünstler. Umso interessanter ist es
für die Galeristen aus Gauangelloch, die
Entwicklung der afrikanischen
Gegenwartskunst zu fördern. Deshalb
präsentieren sie nicht nur die international
namhaft — und entsprechend teuer —
gewordenen Künstler, sondern immer
wieder auch Arbeiten, die ab 300 Euro zu
haben sind.
Text: Helmuth Bischoff